Justina Los


New Adventures in Vexillology #8 Projekt Sommer 2022 kuratiert von  Matthias Droste

beteiligte Künstler

Cäcilia Brown, Julia FrankenbergKasia FudakowskiThomas HörlNadja Kurz, Justina Los, Marco Schmitt


Civilians

 

2022

CMYK Druck auf Flaggenstoff, Stahlring,

Kunsthaare, Sandsäcke

 dim variable

 

 

Edition 1/4


Fotos: J.Eggert 2022

 

Civilians

 

1915 sind es die Kubisten, die die ersten Camouflages konzipieren und systematisch herstellen. Der Portraitmaler Guirand de Scévola gilt als einer der Erfinder der militärischen Tarnung und wird im 1. Weltkrieg zum Leiter der ersten „Camouflage Unit". Der Kubist Andre Mare wiederum entwirft dort Attrappenbäume und Tarnmuster für Panzerfahrzeuge. Das italienische Tele Mimetico ist 1929 das erste seriell produzierte auf Stoff gedruckte Tarnmuster.

2022 sind „unter den Opfern auch zahlreiche Zivilisten" – ein Begriff bezeichnend für Menschen, die nicht als Soldaten gekämpft haben, keine Waffen trugen, wehrlos waren und sich nicht verteidigen konnten. So wie das Camouflage Personen und Fahrzeugen Schutz bietet und das Auflösen der eigenen optischen Silhouette bewirken soll, spiegelt es auch den Traum vom Überleben und die Utopie von Sicherheit wider.

In „Civilians" ist das Tarnmuster auf einem Windsack die stilisierte Luftaufnahme einer kriegszerstörten Stadt. Die Stele wird gestützt von Sandsäcken. Deren Auftürmen stellt eine letzte verzweifelte Geste dar Kulturdenkmäler zu schützen, jene symbolhaften Objekte, die im Angesicht von gezielter Zerstörung zu unersetzbaren Identitätsgütern einer Nation werden. Wir kennen sie aus Bildern, die sich in unser Unterbewusstsein einprägt haben, so wie sich das Tarnmuster außerhalb seiner eigentlichen Funktion in Mainstream und Mode etabliert hat – Signalfarbe des Anti-Establishments oder doch eine martialische Ansage in Form von Romantisierung und Glorifizierung des Krieges?

Wir sind Außenstehende, das passive Publikum, und beobachten hilflos, aber in multiplen Frequenzbereichen das große Abschlachten. Wir sitzen wie gelähmt in unseren Army T-Shirts da: vor unseren Augen werden Fluchtkorridore aus dem Hinterhalt attackiert und uns bleibt nur der für uns selbst irgendwann naiv scheinende Wunsch, dass die Opfer bei der nächsten Attacke vom Angreifer unentdeckt bleiben und so überleben. Doch meist dient die Tarnung eher dem unerkannten Angriff als dem Unentdecktbleiben von Schutzbedürftigen.

Vielleicht haben Sie gedacht, dass diese Arbeit den Krieg in der Ukraine thematisiert. Es gibt jedoch nicht nur diesen einen Krieg, in der sich die global existierende Willkür des (Über-)Lebens als Zivilist abspielt. Vielleicht hätten sich in dieser Arbeit weitere Symbolhaftigkeiten ergeben, hätten die Medien uns andere markante Merkmale von Zerstörung und dem Versuch der Abwehr zugespielt. Ein mediales Drama, vom Winde verweht. Im Krieg sind wir alle Opfer - und zugleich genießen wir, die wir uns hier einfinden, den Komfort kein aktiver Akteur im laufenden Kriegsgeschehen zu sein.

 

 

Civilians

 

In 1915, it was the Cubists who conceived and systematically produced the first camouflages. The portrait painter Guirand de Scévola is considered one of the inventors of military camouflage and becomes the head of the first "Camouflage Unit" during the First World War. The cubist Andre Mare designed dummy trees and camouflage patterns for armoured vehicles there. In 1929, the Italian Tele Mimetico becomes the first mass-produced camouflage pattern printed on fabric.

In 2022 "among the victims there are also numerous civilians" - a term indicative of people who did not fight as soldiers, did not carry weapons, were defenceless and could not defend themselves. Just as camouflage provides protection for people and vehicles and is intended to dissolve one's visual silhouette, it also reflects the dream of survival and the utopia of security.

In "Civilians", we see a camouflage pattern on a windsock, which is a stylised aerial view of a war-torn city. The stele is supported by sandbags. Their piling up represents a last desperate gesture to protect cultural monuments, those symbolic objects that become irreplaceable identity goods of a nation in the face of targeted destruction. We know them from images imprinted in our subconscious, just as camouflage pattern has established itself outside its actual function in mainstream and fashion - signal colour of the anti-establishment or yet a martial announcement in the form of romanticisation and glorification of war?

We are outsiders, the passive audience, watching the Great slaughter helplessly but in multiple frequency ranges. Paralysed we sit there in our army T-shirts: before our eyes, escape corridors are attacked from ambush and all we are left with is the wish, which at some point seems naïve to ourselves, that the victims will remain undetected by the attacker in the next attack and thus survive. But most of the time, camouflage serves the purpose of attacking undetected rather than keeping those in need of protection undetected.

You may have thought that this work was about the war in Ukraine. However, there is not only this one war, in which the globally existing arbitrariness of survival as a civilian is played out. Perhaps further symbolism would have emerged in this work if the media had given us other striking features of destruction and the attempt to defend ourselves. A media drama, gone with the wind. In war, we are all victims - and at the same time, we who find ourselves here enjoy the comfort of not being an active player in the ongoing war.

 

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